Was gibt es für schöne Derbys. Old Firm, AC gegen Inter, Liverpool gegen Everton, Real gegen Atletico, Dortmund gegen Schalke. Mainz gegen Frankfurt. In Zeiten, in denen das Spiel Hamburg gegen Hannover als Nord-Derby gefeiert wird, die Bayern und Bremen das Nord-Süd-Derby austragen dürfen, kann man getrost von einem Derby sprechen, wenn Mainz gegen Frankfurt spielt, solange in Lautern und Wiesbaden nicht noch ein oder mehrere Wunder geschehen. „Was ist daran so besonders?“, höre ich Michael Thurk bis hierhin rufen. Ist ja auch bloß n Spiel wie jedes andere, mag man meinen. Dabei haben Derbys und Spiele gegen den anerkannten Rivalen immer ihre ganz eigene Note. Man ist nervös vorher, angespannt und doch voller Vorfreude auf diese Spiele. Wie groß die Genugtuung oder die Schmach sein kann, weiß man wohl am besten, wenn man auch noch in der Stadt des Rivalen wohnt oder arbeitet. Besonders dann gewinnen solche Derbys an Bedeutung, speziell für die Fans.
In den vergangenen Jahren war ich an den beiden letzten Spieltagen meistens tiefenentspannt. Neun Spiele gleichzeitig, Konferenz an, ein paar Tore sehen, sich überraschen lassen, wer dieses Jahr absteigt, frühsommerliche Temperaturen, hinterher grillen und solidarisch ein Bier aus der Stadt der Absteiger trinken. Wobei es vielen dieser Städte neben dem erstklassigen Fußball auch an erstklassigem Bier mangelte. Paderborns Abstieg war ein schlimmes Erlebnis mit wortwörtlich fadem Beigeschmack. Diesmal bleibt diese Entspanntheit allerdings aus. Abstiegskampf. Ich bin nervös. Es ist nicht mein erster Abstiegskampf und ich war auch schon vorher mal nervös (Danke, Leslie Nielsen), aber wenn der Nagelknipser bereits abgemagert ist und nach Aufmerksamkeit schreit, mein Friseur sich die Haare rauft, weil ich mir die Haare raufe und die Parkinsonstiftung mir Geld überweist, dann ist etwas gewaltig anders, als sonst. Abstiegskampf und wir mittendrin. Ein ungewohntes Gefühl. Diese Lähmung, als ich im Auto vom 0:0 gegen Hamburg erfuhr, ein wütender, verzweifelter Schlag ans Lenkrad. (Sorry, Entgegenkommer, das war knapp) Nach Not gegen Elend am letzten Wochenende nun also die Neuauflage, Elend gegen Not, die beiden schlechtesten Mannschaften der Rückrunde treffen aufeinander.
Frankfurter Blätter titelten zuletzt jedoch über Heldentaten. Der Co-Trainer von Kovac, Kovac, stellte einen Dieb auf frischer Tat und überwältigte ihn postwendend. Dieser Aktion gebührt voller Respekt und ist ein Musterbeispiel für Zivilcourage. Vielleicht überträgt Kovac diesen sozialen Geist auch auf seine Mannschaft, nicht etwa, weil sie uns überwältigen soll. Vielmehr wollen wir beschützt werden, vor dem Dieb, der uns die Erstklassigkeit rauben könnte. So wie sich die Eintracht gegen Wolfsburg entschloss, einen eigenen Sieg nicht allzu sehr erzwingen zu wollen und das wohl schlechteste Bundesligaspiel zeigte, seitdem die Begriffe „schlecht“ und „Bundesligaspiel“ in Kontext gesetzt wurden.
Gemessen an den Erwartungen und Erfahrungen der letzten Saison, kann man die Spielzeit der Frankfurter als solide bezeichnen. Nach einigen Spieltagen konnte man sogar noch ernsthaft von Europa träumen. Die Defensive stand so sicher, wie die Bezeichnung „I*iot“ auf Donald Trumps metaphorischer Stirn, die Spielanlage war durchdacht und mit Hasebe wurde endlich ein legitimer Nachfolger zu Lothar Matthäus als Libero gefunden. Der erste Libero seit Jahrzehnten, als hätte man ein Mammut entdeckt und es aufs Spielfeld geschickt. Vielleicht das Mammut aus Ice Age, Manni… Manni das Liberomammut. Wird Zeit für ein Freundschaftsspiel gegen Wales. Fußballspiel der Tiere, das würde ich mir nicht entgehen lassen.
Die Rückrundentabelle weist die Eintracht jedoch als Letzten aus. Auch, weil die Frankfurter in der Hinserie wohl über ihrem Vermögen spielten, aber wohl vor allem aufgrund eines so enormen Verletzungspechs, dass selbst Holger Badstuber seine Dienste für die Eintracht angeboten haben soll. Somit findet man sich in der Tabelle jenseits von Gut und Böse im Mittelfeld ein und hat in der Liga wohl keine großen Ambitionen mehr. Vielmehr sieht es so aus, als würde sich der gesamte Verein auf den DFB-Pokal konzentrieren.
Angespannt, nervös, ein nervliches Wrack… Gelassener als ich ist wohl Martin Schmidt, der erst nach der Niederlage gegen Gladbach den endgültigen Abstiegskampf ausgerufen hat. Wer tut sowas denn auch nach einem Unentschieden gegen Bayern… oder sogar noch früher. Die Spiele gegen Hamburg und Gladbach waren wie ein Rückfall in alte, tiefschwarze Zeiten in der Rückrunde. Ein Hamburg, das andere Gegner an diesem Tag zwei- oder dreistellig nach Hause geschickt hätten, die so schwach waren, wie aktuelle Umfrageergebnisse für die AfD. Aber das ist er wohl, der Abstiegskampf, der auch an den Spielern nicht spurlos vorübergeht und die Fehlervermeidung die oberste Prämisse darstellt.
Im Gegensatz zur Eintracht haben wir mit Verletzungspech nicht so viel am Hut. Trotz aller taktischen Kniffe, Systemwechseln über Systemwechseln scheinen die Gegner unser Spiel durchschaut zu haben. Dabei vermutete ich unser Spiel als schwerer ausrechenbar als mein Mathe-Abi. Und das will wirklich was heißen. Jedoch bringen unsere überfallartigen Konter auch nicht mehr Ertrag, als mein überfallartiger Konter auf den Mathelehrer. („Aber, aber…“ „Niemals!“) Den Eindruck, Martin Schmidt ist mein unnachgiebiger ehemaliger Lehrer, bekräftigt sich durch das nahezu konsequente Nichtberücksichtigen von Bojan, auch in wichtigen Spielen. Vielleicht spielte sich der Dialog ja genauso ab zwischen den beiden. Jedoch brauchen wir gegen die Defensivspezialisten der Eintracht wohl einen Dosenöffner, der die tödlichen Pässe spielen kann (Kurios wird’s dann, wenn selbst ein wortwörtlicher Dosenöffner Bojan vorgezogen wird) und das Spiel aufzieht. Leider funktioniert die Doppelspitze Muto und Cordoba genauso wenig wie die Doppelspitze Petry und Bernd Höcke (immer noch viel Beileid an Wolfgang für die Namensvetterin), sodass das System mit einer Spitze bis Saisonende durchgezogen werden sollte. Und immer noch frage ich mich, wie wir in eine solche Situation geraten konnten, mit einer derartigen Offensivkraft aus Jairo, Öztunali, Muto und Cordoba. Ich glaube, wir brauchen mal einen Knipser. Vielleicht können wir ja alle erfolglosen Stürmer verpflichten, die gegen uns in aller Regelmäßigkeit treffen und auf ihre Ex-Teams ansetzen. Hrgota, Szalai, Ibisevic hätte ja auch was. Am Wochenende sollten wir nämlich sehr viel Acht geben auf Hrgota, denn er ist formschwach und nicht als Knipser bekannt. Prädestiniert also für Tore gegen uns.
Allerdings ist die Eintracht auch nicht gerade berüchtigt für ihre Offensivkraft. Da wir defensiv mittlerweile ganz ordentlich agieren, könnte ein einziges Tor reichen, egal wie dreckig es ist, um die drei Punkte einzufahren, die wir nun dringend brauchen. Wie gegen Hamburg gilt: Gewinnen wir, sind wir höchstwahrscheinlich gerettet. Verlieren wir, wird es noch viel enger. Schalke beschützte vor zwei Jahren den HSV am letzten Spieltag schon einmal vor dem direkten Abstieg, daher hege ich nicht allzu große Hoffnungen auf sie. Einzig die Tatsache, dass Hamburg und Wolfsburg sich am letzten Spieltag die Punkte stibitzen könnten, bereitet noch ein Fünkchen Hoffnung mehr, vorausgesetzt, Wolfsburg gewinnt am Samstag nicht.
Leute, jetzt zählt es. Alles was ihr habt, alles was ihr geben könnt, zwei Spiele noch, um alles rauszufeuern mit all der Leidenschaft und all dem Einsatz und dem Siegeswillen, der euch von jeher auszeichnet! Ihr schafft das, mit unserer Unterstützung, die genauso leidenschaftlich sein soll, wie euer Kampf fürs gemeinsame Ziel Klassenerhalt.
Auf geht’s Mainzer, kämpfen und siegen!
• • •
Mainz 05 -- VfL Osnabrück -- SV Meppen -- Aston Villa -- De Grafschaap -- AC Mailand
This contribution was last edited by FrankS on May 12, 2017 at 6:15 AM hours